Karl Marx Hof (1927-31)
Schon seit 1877 besaß die Gemeinde Wien im nordwestlichen Döbling ein großes Stück Land, die Hagenwiese an der Heiligenstädter Straße. Mitte der zwanziger Jahre stieß die sozialdemokratische Stadtverwaltung auf die Hagenwiese. Am 10 Juni 1927 fasste der Gemeinderat mit den Stimmen der Sozialdemokraten den Beschluss, hier eine Großwohnanlage zu errichten.
Mit der Planung beauftragte die Gemeinde Karl Ehn, der als Oberbaurat in städtischen Diensten stand.
Dazu ein Artikel aus der "Arbeiterzeitung" vom 12.10.1931, dem Tag der Eröffnung:
"Ein Gelände in der Länge von einem Kilometer war zu verbauen; die künstlerische Aufgabe war vor allem, dieses so langgestreckte Bauwerk so zu gliedern, dass es nicht eintönig wirkte.
Die Lösung, die schließlich gefunden wurde, war die denkbar beste. Es wurden ein monumentaler Mittelbau mit einem weiten Platz davor geschaffen, an den sich nach beiden Seiten die Anlagen mit großen Gartenhöfen anschlossen. Glatt, ohne jedes unnütze Zierrat, wurden die Häuser gebaut, aber um so wertvollerer Schmuck sind die Balkone, die in der Ausdehnung der ganzen Front fortgeführt wreden, so dass jede Wohnung einen Balkon hat.
Die Gesamtfläche des Karl-Marx-Hofes beträgt 156 000 Quadratmeter, davon sind nur 18,4 Prozent verbaut. 1 400 Wohnungen sind vorhanden, etwa 5 000 Menschen wohnen darin, das ist die Einwohnerzahl einer kleineren Stadt. Wie es für die Bauweise unserer Stadtverwaltung selbstverständlich ist, verfügt die Anlage über eine ganze Reihe sehr wichtiger Gemeinschaftseinrichtungen. Eine Wohltat für die Bewohner sind die zwei großen Zentralwäschereien, die zur Vermeidung der Rußplage elektrisch beheizt werden. Zwei modern ausgestattete Kindergärten gibt es, eine Schulzahnklinik, ein Jugendheim, eine Bibliothek, zwei Badeanlagen mit Brause- und Wannenbädern. Die Anlage hat auch ein eigenes Postamt, eine Apotheke, ein Krankenkassenambulatorium und viele Geschäftslokale."
Die meisten Wohnungen waren 50 - 60 qm groß, für Einzelpersonen gab es einige kleine, für große Familien einige größere Wohnungen.
Reaktionen:
Der Wohnungsbau des Roten Wien, daran wird sein politischer Gehalt spürbar, war dauernder Streitpunkt zwischen Sozialdemokraten und den bürgerlich-klerikalen Kräften. Gerade das Gebäude auf der Hagenwiese war schon in seiner Planungs- und Bauphase heftigen Angriffen von rechts ausgesetzt. Im Herbst 1927 sagten die rechten Zeitungen den Einsturz des späteren Karl-Marx-Hofes voraus, als einige der Betonpiloten, die das Gebäude tragen sollten, sich um einige Zentimeter abgesenkt hatten. Der christlich-sozialen "Reichspost" waren diese Zentimeter eine Extraausgabe wert, die nationalkonservative "Freiheit" beschwor am 15.10.1927 schon die Katastrophe von Heiligenstadt.
Eröffnung des Karl-Marx-Hofes am 12.10.1931 mit Bürgermeister Seitz